Tokyo @ September 2007

Am Sonnabend, dem Tag des Kaufens, erholen sich die Menschen von Arbeit / Sudieren und ähnliche lästige Aktivitäten mittels Einkaufen in den unzähligen Häusern. Einge wichtige Strassen werden gespeert, damit das Vergnügen und die Lust sich ausbereiten kann, wohin es geht.

Die "men stores" haben ihre eigenen Gesetze. Am Isetan men (6 Stockwerke) werden Sachen für wohlhabende Männer verkauft. Das Personal ist jung und maximal & fanatisch gestylt angezogen. Brands aus Italien, die wahrscheinlich niemand in Italien kennt, sind hier ebenfalls dominierend.
Eine kleine Insel der Simplizität und der Weichheit ist der Laden von Issey Miyake. Seine Produkte haben etwas weiches, anfassbares und rührendes. Drei bis vier Farben, wellige Texturen, Unebenheiten und ungewöhnliche Komponenten unterscheiden sie von italienschem Kitsch, englischer Konfektion und französischer Museumsbekleidung. Die japanische maskuline Anzieh-Kultur ist anders gepolt als in den europäischen Sphären der Situation und Konvention. Sie zielt ausschließlich auf Vereinfachung der Form, Reduktion auf Grundfarben und Komfort (was eine vergessene Formel!)
Tokyo @ September 2007 
Nieselregen.
Die Farbe des Himmels ist verändert.
Die Lichter mutieren.
Beim Bau von Ometesando Hills in Harajuku hat Tadao Ando die Grundprinzipien seiner Architektur materialisiert. Ein Kaufhaus aus Beton und Glass, in dem die Tranzparenz das dominante Prinzip ist, sie macht alles leicht und schwebend. Selbst der Lärm scheint durch die Bauweise zu verschwinden, ein Mix aus elektronsicher Musik und bekannten Grundrhythmen füllt den Raum, in dem man laufen, sitzen, liegen, schalfen oder vielleicht einkaufen kann. Ein Tempel ist in diesem Fall in die Stadt gebeamt und aus den (potenziellen) Käufern wir relaxierte Bettende. Ando hebt Gesetze der Physik und der Geologie auf, in dem er in diesem schweren Haus die Leichtigkeit buchstäblich zelebriert.
Siehe
http://www.archiplanet.org/wiki/Tadao_Ando
http://www.andotadao.org/ando_grand.htm
"Womb" in Shibuya ist das Epizentrum der härteren elektronischen Musik in Tokyo. Eine perfekte Mischung zwichen der Performance der 3 VJs (seitlich postiert, mit iMacs und Powerbooks vor sich) und des DJ (upfront) . Scharfer Sound, verlorene Seelen und Fluss von Alkohol. Das Publikum ist älterer als Shibuya-Durchschnitt, das heißt: > 20, und sogar konventioneller. Eine ideale Szenerie: alle im großen Raum ( 20 Meter bereit, 15 Meter hoch) orientieren sich zur Projektionsfläche, um die Schaffungen der VJs im Auge zu haben, als ob die Musik (Techno) ein Feedback bräuchte, als ob in dieser obzsönen Liturgie die computer generierten Bilder alles bestimmen, als ob nur das Sehen zählen würde. Vielleicht ist es so. Ein Extra-Raum mit house und kleine Gangster mit Sonnenbrillen, die sind sowieso cool und bedürfen keiner sound-esoterischen Regeneration, sie sitzen einfach da und sind basically relaxt.
"La Fabrique" in Shibuya ist ein Witz. Kann man vergessen.
Mit dem frühen Einbruch der Finsternis ist die Täuschung vorbei und das Leben beginnt, jenes Aggregat aus dem kalten Klirren der Elekronik an den Mauern der Häuser, dem Auf und Ab der Statisten auf den Fussgängerzonen und am Ende: jener siderische Punkt der Sehensüchte.
District Rappongi § Mori tower_ 50 Stockwerke hoch auf einem Berg, am Tag, wenn die Spätsommersonne scheint, verliert das Monstrum seinen Zauber für einige Momente.
In der kontinuierlichen und flüssigen Szenerie des Stadtbildes im Sonnenlicht sieht alles nicht mehr bedrohlich aus, trotz punktueller Dichte von towers ist kein Vertigo, die Stadt ist monochrom, monoton, monoform und damit berechenbar.
Die Wucht der Vertikalität in NYC ist immer präsent und erschreckend. Tokyo ist wie ein Orbit, aus der Höhe schweigsam und mild, fern vom Tod und Wüsten (cave die Sinne täuschen)
Die Menschen neigen ihre Oberkörper bei jeder erdenklichen Gelegenheit, der Code ist nicht einfach zu dechiffrieren. Es handelt sich um ein reiner Selbstzweck. Unabhängig davon ob es kontextuell eine "Bedeutung" gibt oder nicht, man macht es einfach, weil es ein integraler Bestandteil der Gesten und Masken des Alltages darstellt. Die Geste ist selbst der Code, das reine Außen, die direkte Bewegung, kein cutural plot dahinter oder darunter.
Tokyo @ September 2007
Shibuya 
Shibuya in der Nacht: fast alle wirken wie Statisten in einer kinematographischen Vorsehung, fast jede Bewegung ist kinematographisch.
Die Varianz der Bekleidung beschränkt sich auf die trash ladies (TLs) (13-18), die wie gefangene der eigenen Kreativität alle Schwellen unter/überschreiten, die man der Kombination zuweisen könnte, man sollte es vielleicht nicht. Es erreicht ein solches hohes Maß an ästhetischer Differenzierung, die man sonst nur Experten der Abstraktion zutrauen konnte. Hier sind es die Kids, die die Kriterien definieren, aus purem Pragmatismus, aus reiner Extravertiertheit, aus expliziten Effekten. Kein Konzept, keine "Vorstellung", keine Analysen. In dieser Pragmatik der schönen Formen geht etwas auf, was nur hier möglich ist: Life style ohne Spekulation, ohne Begriff, das Leben als Äquivalent der "Effects", als "sign", und vielleicht auch als Ware. Jene Ware, die nur im Tausch zu ihrer Existenz kommt und nur im Umlauf und in Bewegung bestehen kann. Die anderen: Männer > 35, Seniore, Arme, ET´s, kann man ruhig vergessen, sie gibt es nicht im GEWITTER aus Licht und Bewegung.
Eine elektronische Haut liegt auf der Oberfläche der Stadt. Sie bestimmt das Aussehen und die Spannung der Strassenschluchten. Das Gehen & Kommen findet offenbar nur statt, um im Heiligschein der Lichter zu stehen.
Im Grunde, ist all dies nur eine Oberflächenspannung. Lichter und nichts anders als Lichter umgeben die buildings, sie umgreifen sie, sie geben Ihnen ihre Farbe, sie bestimmen (wahrscheinlich) ihr Innenleben und vor allem: sie geben ihnen ihre Namen. Kein building ohnen einen Eigennamen. Der ist aber nur durch das Licht sichtbar und existent.

T4

Alles ist KAUFEN. Alle kaufen.

T3

Auf den Strassen häuft sich eine einmalige Eleganz. Eine extrovertierte Zur-Schau-Stellung von Luxus, biologischer Zartheit und tribaler Isolation, die an diesem Punkt eine Form der Zivilisation zeigt, die den realen Höhepunkt erreicht hat. Der reale Höhepunkt ist das Gegenteil von Behauptungen und Wunschträumen anderer Tage im alten Europa. Der reale Höhepunkt ist der Fluchtpunkt aus den Phantasmen der US-amerikanischen "stories" und "fictions". Tokyo ist in diesem altweiberhaften Sommer eine Möglichkeit.

T2

Tokyo ist das Bild hinter allen Bildern, die wir kennen. Eine sehr dichte Syntaktik, vorerst ohne logische Struktur oder gar eine Idee. Eine Sammlung von Eindrücken, beladen mit Geschichten, die mit diesem Ort nichts gemein haben.. Ein Ort, indem sich ein Szenario abspielt (inkl. forward § reverse), für das es keine "Vorgeschichte" zu geben scheint.

Tokyo September 2007

Vorerst ist Tokyo nur ein Bild